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Sind digitale Dörfer bald Realität?

Ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts beschäftigt sich mit den digitalen Möglichkeiten, Vorteile speziell für die ländliche Bevölkerung zu schaffen.

DIE DIGITALISIERUNG wird meistens nur in Zusammenhang mit Städten, den „Smart Cities“, diskutiert. Doch auch für die spezifischen Anforderungen des ländlichen Raums ergeben sich vielfältige Möglichkeiten. „Es leben sehr viele Menschen am Land und die Digitalisierung kann einen wesentlichen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen in ländlichen Regionen liefern“, betonte Dr. Mario Trapp vom Fraunhofer-Institut, bei einer Veranstaltung des NÖ Bauernbundes.

VERNETZT. Smartphones sind auch am Land selbstverständlich. Die daraus resultierende Daten bringen zahlreiche Möglichkeiten der Nutzung.
VERNETZT. Smartphones sind auch am Land selbstverständlich. Die daraus resultierende Daten bringen zahlreiche Möglichkeiten der Nutzung.

SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN
Smartphone & Co. sind am Land genauso verbreitet und selbstverständlich wie in städtischen Räumen. Durch die Nutzung dieser Geräte gibt es eine Fülle von Daten und Möglichkeiten. Umgekehrt sind im ländlichen Raum häufig die Distanzen größer und die Infratsruktur ist nicht so gut ausgebaut wie in der Stadt. Und genau hier setzt das Projekt „Smart Rural Areas“ an. „Wir wollen die Daten der Menschen am Land vernetzen und damit Anwendungen zum Vorteil der Nutzer schaffen“, erklärte Trapp. Digitale Anwendungen können sich etwa für den Transport, für die Nah- oder die medizinische Versorgung ergeben.

MODERNE NACHBARSCHAFTSHILFE
Derzeit arbeitet das Team des Fraunhofer-Instituts in 2 „Versuchsdörfern“ in Rheinland-Pfalz (Deutschland). Ein Detailprojekt beschäftigt sich mit dem Transport von Paketen. „Es ist leicht, über das Internet zu bestellen, aber die Zustellung für ein Paket ist aufwändig und teuer“, bringt Trapp das Pr0blem auf den Punkt. Die Lösung könnte die Kombination von Nachbarschaftshilfe mit der Nutzung digitaler Daten sein, sodass Personen, die die benötigte Strecke (ohnehin) fahren, das Paket zustellen oder an einem Sammelpunkt abgeben.
„Das funktioniert in den Versuchen ausgezeichnet und der Zuspruch ist enorm. Die Anzahl der Testpersonen erhöhte sich von 100 (2014) auf derzeit etwa 500“, zog Trapp eine Zwischenbilanz und präsentierte weitere Zahlen: „Zwei Drittel der Testpersonen würden diese Leistung dauerhaft und ohne Bezahlung erbringen; 60,5 % etwa einmal pro Woche, 31,3 % sogar täglich.“ Besonders geschätzt wird der persönliche Kontakt bei der Zustellung. 5 – 10 Minuten Umweg nehmen die meisten Testpersonen deshalb gerne in Kauf.
Bis zur breiten Umsetzung dieses Projekts sind jedoch noch viele Details zu klären (Stichwort „rechtliche Rahmenbedingungen“) und professionelle Strukturen aufzubauen.

KONTAKT ZU MITMENSCHEN BLEIBT
Ein zentraler Aspekt des ländlichen Raums bleibt trotz der Nutzung von digitaler Technik erhalten: der Kontakt zu den Mitmenschen. „Die ‚Smart Rural Areas‘ müssen Orte der sozialen Interaktion bleiben“, nannte Trapp eine Voraussetzung – und ein mögliches Erfolgsgeheimnis – für sein Projekt der „digitalen Dörfer“.

Über das Frauenhofer Forschungsinstitut:
Fraunhofer ist die größte Forschungsorganisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa. Die Forschungsfelder richten sich nach den Bedürfnissen der Menschen: Gesundheit, Sicherheit, Kommunikation, Mobilität, Energie und Umwelt. Dr. Mario Trapp ist am Standort Kaiserslautern (Deutschland) seit März 2009 als Hauptabteilungsleiter tätig. 2014 hat er das Forschungsprogramm „Smart Rural Areas“ initiiert, für das er ebenfalls verantwortlich ist.

 

Quelle: Unser Land Nr. 7-8 Juli/August 2016