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Der Bauer als Brauer

Im Winter Landwirt, im Sommer Gastwirt. Der Kärntner Schweinemäster Erich Sorger und seine Tochter Lotte brauen seit über zehn Jahren das Jauntaler Bauernbier und vertreiben es äußerst erfolgreich in der hofeigenen Bier-Buschenschank in Gallizien/Kärnten.

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DIE SORGERS: Tochter Lotte und Vater Erich brauen seit 2000 das Jauntaler Bauernbier

Der Bauernhof der Familie Sorger im Kärntner Jauntal sieht aus wie die Kulisse eines romantischen Heimatfilms:
Im idyllischen Gallizien nahe dem Klopeiner See und am Fuße des Hochobirs in den Karawanken führt der Kärntner Jakobswanderweg an Maisfeldern vorbei zum liebevoll renovierten und über 300 Jahre alten Hof. Wo sich früher Kuh und Schwein inmitten von Sägespänen und Heu gute Nacht sagten, rattert heute das Rührwerk der Sorger’schen Bierbrauanlage. Seit zehn Jahren brauen Vater und Tochter hier das Jauntaler Bauernbier und betreiben noch dazu die erste Bierbuschenschank Österreichs.
„Wir waren schon immer zum Nebenerwerb gezwungen“, sagt der 75-jährige Erich Sorger, dessen Familie mittlerweile in der fünften Generation auf dem Hof lebt. Bis in die 1960er-Jahre hatten die Sorgers einige Schweine, Kühe und Pferde, bevor sie sich schließlich auf die Schweinemast im Winter spezialisierten. – Eine Einnahmequelle für den Sommer musste her. „Das Geschäft ist beim Bier“, war sich Erich Sorger sicher.

BIERLAND ÖSTERREICH
Wirtschaftlich sinnvoll ist sein Geschäftsmodell allemal, denn dass die Österreicher ein Biervolk sind, ist wohlbekannt: Im Jahr 2014 betrug der Bier-Gesamtausstoß hierzulande mehr als neun Millionen Hektoliter, der Pro-Kopf-Verbrauch liegt derzeit bei 106 Litern – Österreich rangiert damit am dritten Platz der größten Biernationen, klar hinter Tschechien und ganz knapp hinter Deutschland. Neben den rund hundert Industriebraustätten widmen sich mittlerweile immer mehr Bierliebhaber an die Herstellung des Gerstensafts – laut Erhebungen der Brauunion hat Österreich 109 sogenannte Gasthausund Hausbrauereien. Viele davon stellen Kreativbiere her, die sich durch ihre besonderen Geschmacksrichtungen auszeichnen, und tragen so zur heimischen Biervielfalt bei: Mehr als tausend verschiedene Biersorten gibt es schon in Österreich. Dass sich nunmehr neben Gasthäusern und Privatpersonen mit Bierpassion auch heimische Landwirte an die Kunst des Bierbrauens wagen, ist neu – und derzeit noch eine Randerscheinung. Die Sorgers können also mit Fug und Recht als Pioniere der Bier brauenden Landwirte Österreichs bezeichnet werden.

DIE BIERPIONIERE
Doch dafür bedurfte es einer Reihe von Zufällen, glücklichen Fügungen und schlussendlich jahrelanger Vorbereitung. Während Lotte Sorger die PÄDAK in Graz absolvierte, kamen ihre Eltern 1994 nach Graz, um mit der Tochter die Messe zu besuchen. Dort bot eine landwirtschaftliche Fachschule selbstgebrautes Bier an, am Stand daneben warb eine Firma mit kleinen Bierbrauanlagen. „Der Papa war sofort Feuer und Flamme“, erinnert sich Lotte Sorger. Sie selbst war skeptisch. „Ich kannte mich ja überhaupt nicht aus“. Bis zum ersten Jauntaler Bauernbier sollten allerdings noch einige Jahre vergehen.
Das Vater-Tochter-Gespann absolvierte vorerst in der Steiermark einen Wochenendkurs zum Thema Bierbrauen. „Ich wollte schauen, ob es für mich körperlich zu schaffen wäre, Bier zu brauen“, sagt Lotte Sorger. War es. Es folgte eine jahrelange Vorbereitungsphase, in der Vater und Tochter herumreisten, Anlagen inspizierten, Expertisen einholten. „Es war eine ganz andere Welt“, sagt sie. „Wir haben das über Jahre vorbereitet und durchgedacht: Machen wir’s, machen wir’s nicht?“
Den entscheidenden Anstoß sollte eine glückliche Fügung geben: Über Umwege kamen die Sorgers im Jahr 2000 zu einer Bierbrauanlage, die ihnen vorerst probeweise zur Verfügung gestellt wurde. Mit der Anlage begann das Bierbrauen und bald standen sie vor dem Problem: Was tun mit dem ganzen Bier? „Wir konnten das ja nicht alles selbst trinken“, lacht sie. Also organisierten die geschäftstüchtige Tochter und ihr Vater ein Hoffest, auf dem sie das Bier gratis ausschenkten – als Marktforschungsmaßnahme sozusagen. Das Freibier war im Handumdrehen weg. Aber wem würde Gratis-Bier nicht schmecken? So wurde weitergebraut, ein zweites Hoffest ausgerichtet und Geld für das Bier verlangt. Und trotzdem lobten es die Gäste wieder in höchsten Tönen. Das war der entscheidende Moment für die Neo-Bierbrauer: Das Jauntaler Bauernbier war geboren. Um damals 300.000 Schilling erstanden sie die geborgte Anlage: eine – wie sich herausstellen sollte – gute Investition. „Sie funktioniert seit 15 Jahren einwandfrei, und wir bekommen sogar immer wieder Anfragen. Heute könnte ich die Anlage um 30.000 Euro verkaufen“, sagt Erich
Sorger. Für Fässer und andere Gerätschaften kamen noch mal 100.000 Schilling an Anschaffungskosten dazu. Um weitere 200.000 Schilling wurde der Hof „bierbrautauglich“ gemacht. Damit das Brauen auch rentabel war, zogen Vater und Tochter anfangs einen Ab-Hof-Verkauf auf, im Jahr 2002 meldeten sie ein Gewerbe an: die erste Bierbuschenschank Österreichs.

2-Liter-Flasche
Die 2-Liter-Bierflasche der Sorgers: Jeder Österreicher trinkt 106 Liter Bier pro Jahr. Mehr Trinken nur die Deutschen (107 l) und die Tschechen (144 l)

BRAUKUNSTSTÜCKE
Das Herzstück der Buschenschank bildet natürlich der Gerstensaft, den die zwei bis vor kurzem in den verschiedensten Variationen angeboten haben. Von Mais- und Hanf bier bis hin zu Himbeer- und Honigbier haben die Sorgers schon einiges ausprobiert. „Man kann fast alles ins Bier tun“, weiß Lotte Sorger. Schlussendlich rechneten sich die Kreativbiere aber nicht. „Die Biertrinker haben das normale Bier am liebsten.“ Weshalb sich die Sorgers mittlerweile nur noch auf das naturtrübe, bernsteinfarbige Hausbier konzentrieren. „Es war aber wichtig für uns, vieles auszuprobieren. Wir haben daraus gelernt“, sagt Lotte Sorger. Auch bei den Fleischprodukten experimentieren die Sorgers gern. Durch den Schweinemastbetrieb lag es nahe, alle Fleischprodukte, die in der Buschenschank angeboten werden, selbst herzustellen. Zu Erich Sorgers Eigenkreationen zählen eine Paprikawurst und eine geräucherte Streichwurst. „Davon reden die Leute heute noch“, sagt die geschäftstüchtige Landwirtin. Viele kommen auch wegen des weißen Specks vom Mangalitza-Schwein, einer Spezialität des Hauses. Speisekarte gibt es bei den Sorgers keine. „Wir verarbeiten ein ganzes Schwein und verkaufen, was es gerade gibt“, so der rührige Seniorbauer. Eine Jause bekommt man für 8,50 Euro – und zwar „All you can eat“. „Die Leute sollen satt und zufrieden weggehen“, findet Lotte Sorger. In der Buschenschank wird der Sorger’sche Gerstensaft in 1-Liter-Krügen für 6,50 Euro serviert – „dann können sich die Leute selbst nachschenken, und wir müssen nicht ständig herumlaufen“, sagt die Juniorchefin. Die dunklen amphorenartigen 2-Liter-Flaschen für den Ab-Hof-Verkauf beziehen sie aus Deutschland über einen Zwischenhändler in Wien.

IM SOMMER GAST-, IM WINTER LANDWIRT
Seit nunmehr über zehn Jahren schupfen Erich und Lotte Sorger selbst den Betrieb, nur im Sommer helfen zwei Studentinnen aus. Es läuft recht gut. Von Jahr zu Jahr kommen mehr
Gäste – obwohl das Marketing ausschließlich über Mundpropaganda funktioniert. „Wenn das Wetter passt, sind wir eigentlich immer voll“, sagt der Vater. An solchen Abenden gehen locker 100 Liter über den Schanktisch. „Viele kommen wegen dem Papa, weil er so gesellig ist“, sagt die Tochter. „Er hat viele Geschichten zu erzählen, und die Leute hören ihm gern zu.“ Aber es ist nicht nur die einnehmende Art des Hausherrn, die den Erfolg der Bierbuschenschank ausmacht – eine mindestens gleich wichtige Rolle spielt Lotte Sorgers Zugang zur Gastwirtschaft und ihre Bewirtungsphilosophie. „Der Gast soll es gut haben, es soll ihm gefallen – das ist so wichtig“, sagt sie. Mit viel Liebe zum Detail dekoriert sie den Hof – am Abend säumen kleine Laternen den Weg vom Parkplatz zur Buschenschank, im Sitzbereich verleihen Kerzen der Anlage ein besonderes Ambiente, überall wachsen Blumen. Früher gab es deswegen den einen oder anderen Streit mit dem Vater. „Du mit deinen Kerzen – das kostet nur viel, bringt aber nichts“, hat er oft geschimpft. Heute gibt er ihr recht. „Es geht nicht nur um Speck, Salami und Bier. Alles drumherum muss passen, es muss ein Erlebnis sein – und Niveau haben“, ist sich Lotte Sorger sicher. Es ärgert sie, wenn Bauern als einfältig dargestellt werden. „Wir sind eine neue Bauerngeneration. Um bestehen zu können, muss man etwas im Kopf haben.“ Und hart arbeiten. Die Bierbuschenschank hat sechs Tage die Woche von 16.00 bis 22.00 Uhr geöffnet, dazu kommen zeitintensive Vor- und Nacharbeiten, wie etwa die Reinigung, das Kochen – und natürlich das Bierbrauen, das am Montag, dem Ruhetag der Buschenschank, stattfindet.

NATUR PUR
Hopfen_01Etwa 200 Liter Bier pro Woche produzieren die Sorgers. Das Wasser für den Gerstensaft kommt aus einer Quelle am Steinerberg, die Hefe erhalten die Bierbrauer von der Schleppe-Brauerei in Klagenfurt, und den Bio-Hopfen beziehen sie von österreichischen Anbietern wie Hirter und teilweise auch von slowenischen. „Unser Hopfen ist nicht so herb, damit die Frauen gleich viel trinken wie die Männer“, sagt Erich Sorger und lacht. Da das Malzen der Gerste ein recht schwieriges Verfahren ist, holt Erich Sorger die Gerste aus Graz. Die verschiedenen Malzsorten – Pilsner, Wiener und Münchner – schütten die Bierbrauer frisch geschrotet in die Brauanlage, damit beginnt das sogenannte Maischen. Der Vorgang, bei dem verschiedene chemische Prozesse ablaufen, ist großteils automatisiert und dauert zirka drei bis vier Stunden. Nach der Kühlung kommt die Hefe dazu, darauf folgen Haupt- und Nachgärung – ein Prozess, der für die Sorgers vor allem am Anfang die größten Herausforderungen barg. „Das Bier ist durch die Hefe lebendig. Sie arbeitet ja weiter. Das Schwierige ist, genau das kontrollieren zu lernen“, sagt Lotte Sorger. „Am Anfang hatten wir oft Fässer nur mit Schaum oder ganz ohne Schaum.“ Mit der Zeit lernten die beiden jedoch, den Nachgärungsprozess besser in den Griff zu bekommen. „Learning by doing“, sagt Lotte Sorger. Mittlerweile wissen sie genau, wie sich etwa der Ton, der beim Druckablassen entsteht, anhören muss und wie man mit den Fässern bei der Lagerung umzugehen hat. Die zwei halten nicht viel von selbsternannten Bierexperten, die stundenlang über Iodproben fachsimpeln. „Wir brauen einfach drauf los“, sagt Lotte Sorger. Deshalb schmeckt das Jauntaler Bauernbier wohl immer ein bisschen anders – „so wie Bauernbrot“, sagt der Vater. Da das naturbelassene Bier im Gegensatz zum Industriebier keinerlei Konservierungsstoffe enthält, ist es in der Flasche nur zwei Wochen haltbar, im Fass etwa ein halbes Jahr. Auch künstliche Kohlensäure gibt es keine im Bier der Sorgers. Das Resultat ist ein volles, süffiges Bier, das sich vor allem an lauen Herbstabenden gut trinkt.

WIE DIE TOCHTER, SO DER VATER
Über die Jahre sind Erich und Lotte Sorger ein eingespieltes Team geworden. „Der eine fängt etwas an, der andere macht weiter und umgekehrt“, sagt Lotte Sorger. Anfangs braute nur die Tochter – der Vater hatte es nicht so mit der computergesteuerten Anlage und den Touchscreens.
Als dann vor neun Jahren Lotte Sorger ihre erkrankte Mutter pflegen musste, lernte sie ihren Vater an. „So hat der Vater von der Tochter das Bierbrauen gelernt“, lacht sie. Vor ein paar Jahren wollten die Sorgers den Buschenschankbetrieb schon einstellen, schließlich ist Erich Sorger bereits 75. Mittlerweile ist man froh, den Gedanken wieder verworfen zu haben. Ihr Vater sei sowieso am glücklichsten, wenn er arbeitet, sagt Lotte Sorger.

Quelle: Unser Land 2015
Text: Hannah Stadlober, Fotos: Markus Kucera

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